Präzise statt pauschal: Gericht stärkt Rechte bei Kontosperrungen wegen Geldwäsche – LG Frankfurt, Januar 2024.
In einem zunehmend globalisierten Finanzsystem sind Verdachtsmeldungen zu Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung ein zentrales Instrument zur Sicherstellung der Transparenz und des Vertrauens in den Finanzsektor. Verpflichtete Institute wie Banken müssen bei Verdacht auf Geldwäsche eine Meldung an die Financial Intelligence Unit (FIU) abgeben. Dies geschieht auf der Grundlage des Geldwäschegesetzes (GwG), insbesondere durch § 43 GwG, der die Verdachtsmeldepflicht regelt.
Eine der wesentlichen Konsequenzen einer solchen Verdachtsmeldung ist die Sperrung der betroffenen Transaktion gemäß § 46 GwG. Der Artikel erklärt die rechtlichen und praktischen Auswirkungen einer wegweisenden Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main vom Januar 2024 in Bezug auf Kontosperrungen und verdächtige Transaktionen.
Hintergrund und Bedeutung der Entscheidung
In dem vom LG Frankfurt behandelten Fall hatte eine Bank nach einer Verdachtsmeldung das Konto einer Kundin vollständig gesperrt, nachdem diese eine Einzahlung aus der Türkei in Höhe von 21.900 EUR ohne den geforderten Nachweis über den Ursprung der Gelder getätigt hatte. Diese Sperrung führte dazu, dass die Kundin keine Lastschriften mehr ausführen konnte, was sie dazu veranlasste, eine einstweilige Verfügung zur Aufhebung der Sperre zu beantragen. Das Amtsgericht gab der Kundin Recht und erklärte die vollständige Kontosperre als rechtswidrig. Diese Entscheidung wurde später vom LG Frankfurt bestätigt.
Die Bedeutung dieser Entscheidung liegt darin, dass das Gericht eine klare Grenze hinsichtlich der Befugnisse der Banken bei der Verhängung von Kontosperren zog. Banken dürfen demnach nicht pauschal das gesamte Konto sperren, sondern lediglich die Transaktionen, die im Verdacht stehen, Teil einer Geldwäschehandlung zu sein. Diese Entscheidung wirft nicht nur Fragen bezüglich der Umsetzung der Geldwäschegesetzgebung auf, sondern stellt auch die Rolle der Banken bei der praktischen Umsetzung von Verdachtsmeldungen in den Fokus.
Rechtliche Aspekte der Entscheidung
Pauschale Kontoumsatzsperren sind unzulässig
Das LG Frankfurt entschied, dass § 46 GwG keine rechtliche Grundlage für eine pauschale Kontosperre bietet. Vielmehr erlaubt das Gesetz lediglich die Sperrung der spezifischen Transaktion, die im Verdacht steht, Teil einer Geldwäschehandlung zu sein.
Eine allgemeine Kontosperre ohne konkrete Verdachtsmomente auf weitere Transaktionen würde gegen die Grundrechte des Kontoinhabers verstoßen, insbesondere das Recht auf Eigentum gemäß Art. 14 des Grundgesetzes und die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG.
Die Entscheidung des Gerichts betont, dass Banken die Sperrung von Konten präzise und verhältnismäßig anwenden müssen. Eine zu weitreichende Maßnahme, wie im vorliegenden Fall, verstößt gegen die Rechte der Kunden und könnte Banken haftbar machen.
Die Rolle der „Fristfall-Nachmeldung“
Ein weiteres entscheidendes Element dieses Falles war die Rolle der sogenannten „Fristfall-Nachmeldung“. Die Bank hatte eine solche Meldung für wiederkehrende Lastschriften wie etwa bei Amazon oder Tankstellen durchgeführt.
Das LG Frankfurt entschied jedoch, dass solche regelmäßigen Abbuchungen keine automatische Verdachtsmeldung oder eine Verlängerung der Kontosperre rechtfertigen. Eine „Fristfall-Nachmeldung“ dürfe sich ausschließlich auf die ursprüngliche verdächtige Transaktion beziehen, in diesem Fall auf die Einzahlung aus der Türkei.
Die Ausweitung der Sperre auf weitere Transaktionen ohne spezifischen Verdacht wurde vom Gericht als nicht rechtmäßig eingestuft.
Haftungsfreistellung nach § 48 GwG
Ein zentraler Aspekt dieser Entscheidung war die Frage der Haftungsfreistellung gemäß § 48 GwG. Diese Regelung soll Institute, die Verdachtsmeldungen nach bestem Wissen und Gewissen abgeben, vor Schadenersatzforderungen schützen. Im vorliegenden Fall entschied das Gericht jedoch, dass sich die Bank nicht auf diese Haftungsfreistellung berufen könne, da sie das Konto ohne hinreichenden rechtlichen Grund über mehrere Wochen hinweg gesperrt hatte.
Die Haftungsfreistellung greift nur dann, wenn sich die Verpflichteten im rechtlichen Rahmen des GwG bewegen. Eine missbräuchliche Nutzung der Sperrmöglichkeiten, wie im vorliegenden Fall, schließt die Anwendung von § 48 GwG aus. Die Bank hätte die Sperre nach Ablauf der drei Werktage, die das Gesetz vorsieht, aufheben müssen, sofern keine Anweisung von Strafverfolgungsbehörden vorlag.
Praktische Auswirkungen auf verpflichtete Institute
Die Entscheidung des LG Frankfurt hat erhebliche Konsequenzen für verpflichtete Institute, insbesondere Banken und Finanzdienstleister. Sie verdeutlicht, dass pauschale Kontosperren nach einer Verdachtsmeldung nicht rechtmäßig sind, wenn sie über die konkrete Transaktion hinausgehen. Dies hat zur Folge, dass Banken in der Praxis sehr genau abwägen müssen, welche Maßnahmen verhältnismäßig und gesetzeskonform sind, um nicht in rechtliche Schwierigkeiten zu geraten.
Eine weitere praktische Empfehlung, die aus dem Urteil hervorgeht, ist die genaue Prüfung, welche Maßnahmen verhältnismäßig und gesetzeskonform sind. Nach Ablauf der drei Werktage, die das GwG vorschreibt, sollten Banken die Sperre aufheben, sofern keine weitere behördliche Anordnung vorliegt. Die unrechtmäßige Sperrung eines Kontos oder von Kontotransaktionen könnte zivilrechtliche Haftungsansprüche nach sich ziehen.
Konflikt mit den BaFin-Hinweisen
Interessant an dieser Entscheidung ist auch der Widerspruch zwischen dem Urteil und den Hinweisen der BaFin. Auf einer Fachtagung im Dezember 2023 hatte die BaFin betont, dass die Drei-Tages-Frist des § 46 GwG als Mindestfrist zu verstehen sei. Verpflichtete Institute sollten auch nach Ablauf dieser Frist sorgfältig prüfen, ob eine Transaktion durchgeführt werden kann, wenn weiterhin Anhaltspunkte für Geldwäsche bestehen. Das LG Frankfurt hingegen interpretiert die Frist als Höchstfrist, nach deren Ablauf die Transaktion zwingend durchzuführen ist, sofern keine gegenteilige Anweisung der Behörden vorliegt.
Action Plan zur Aufhebung einer Kontosperre nach Geldwäscheverdachtsmeldung
- Prüfung der Verdachtsmeldung und Verdachtsmomente:
- Detaillierte Analyse der ursprünglichen Verdachtsmomente, die zur Meldung geführt haben. Der Geldwäschebeauftragte muss sicherstellen, dass diese Verdachtsmomente noch gültig sind und ob sich der Verdacht nur auf eine spezifische Transaktion bezieht oder möglicherweise weitere Aktivitäten umfasst.
- Verifizierung zusätzlicher Informationen:
- Falls zusätzliche Informationen vom Kunden oder aus externen Quellen (z. B. Dokumentation des Geldflusses, Herkunftsnachweise) vorliegen, müssen diese geprüft und bewertet werden, um zu entscheiden, ob der ursprüngliche Verdacht entkräftet oder bestätigt wird.
- Einhalten der Drei-Tages-Frist:
- Sicherstellen, dass die gesetzliche Drei-Tages-Frist nach § 46 GwG für die Sperrung der verdächtigen Transaktion eingehalten wurde. Nach Ablauf der Frist ist die Transaktion freizugeben, sofern keine Anordnung zur Verlängerung der Sperre vorliegt.
- Rücksprache mit Strafverfolgungsbehörden:
- Kontakt mit den zuständigen Strafverfolgungsbehörden (FIU, Polizei) aufnehmen, um abzuklären, ob neue Anhaltspunkte oder Anweisungen zur weiteren Kontosperrung bestehen. Liegen keine zusätzlichen Verdachtsmomente vor, ist die Sperre aufzuheben.
- Dokumentation und Risikobewertung:
- Alle Verdachtsmomente und deren Überprüfung schriftlich dokumentieren. Falls der Verdacht entkräftet ist, sollte eine erneute Risikoeinschätzung des Kunden vorgenommen werden, um zu entscheiden, ob das Konto weiterhin überwacht werden muss.
- Freigabe und Benachrichtigung des Kunden:
- Sobald entschieden wurde, dass der Verdacht entkräftet wurde, die Sperrung der spezifischen Transaktion aufheben und den Kunden informieren. Dies sollte zeitnah und transparent erfolgen, um die Zusammenarbeit mit dem Kunden zu stärken.
Fazit
Das Urteil des LG Frankfurt schafft Klarheit darüber, wie weitgehend die Befugnisse von Banken bei der Sperrung von Konten nach einer Geldwäscheverdachtsmeldung reichen. Pauschale Kontoumsatzsperren sind unzulässig, und Banken müssen nach Ablauf der Drei-Tages-Frist die betroffene Transaktion freigeben, sofern keine behördliche Anordnung vorliegt. Verpflichtete Institute sollten sich streng an den Wortlaut des § 46 GwG halten, um Haftungsrisiken zu minimieren.
Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber auf die widersprüchlichen Ansichten der Gerichte und der BaFin reagieren wird. Sicher ist jedoch, dass Banken und Finanzinstitute in Zukunft bei der Anwendung von Kontosperren besonders vorsichtig agieren müssen, um rechtlichen Auseinandersetzungen vorzubeugen.