EBA berät zu Leitlinien zum Management von ESG-Risiken
Am 18. Januar 2024 startete die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) eine öffentliche Konsultation zu einem Entwurf von Leitlinien, die sich mit dem Management von Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken (ESG) beschäftigen. Die Konsultationsfrist endet am 18. April 2024. Diese neuen Leitlinien zielen darauf ab, Anforderungen für Finanzinstitute festzulegen, um ESG-Risiken effektiv zu identifizieren, zu messen, zu steuern und zu überwachen.
Hintergrund der Leitlinien
Die Notwendigkeit, ESG-Risiken zu managen, wird durch den Klimawandel, die Umweltzerstörung und soziale Herausforderungen immer dringlicher. Diese Faktoren stellen signifikante Risiken dar, die das Risikoprofil und das Geschäftsmodell von Banken beeinflussen können, insbesondere durch Übergangsrisiken und physische Risiken.
Inhalt und Ziel der Leitlinien
Der Entwurf der Leitlinien konzentriert sich auf die Integration von ESG-Risiken in das Risikomanagement der Institute. Dazu gehören die Entwicklung von Mindeststandards und Referenzmethoden zur Risikobewertung und -steuerung sowie die Erstellung von Plänen zur Bewältigung der Risiken, die mit dem Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft in der EU verbunden sind. Diese Pläne sind Teil der Anforderungen der Kapitalanforderungsrichtlinie (CRD6), die darauf abzielt, die finanziellen Risiken im Zusammenhang mit ESG-Faktoren zu überwachen und zu bewältigen.
Spezifische Anforderungen und Zielgruppen
Die Leitlinien verlangen ebenfalls eine genaue Prüfung der Werkzeuge und Methoden, die für den Transfer von Kundengeldern eingesetzt werden. Hierbei geht es um die Überwachung und Analyse von Zahlungskanälen, Bankinstrumenten und der Wahl der Finanzinstitutionen.
Ziel ist es, zu erkennen, ob die genutzten Methoden im Einklang mit dem Profil des Kunden stehen oder ob sie möglicherweise für Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungsaktivitäten anfällig sind.
Implementierung und Integration von ESG-Risiken im Risikomanagement der Institute
Institute sind angehalten, ESG-Risiken regelmäßig und umfassend zu bewerten und sicherzustellen, dass sie in der Lage sind, diese Risiken durch robuste Datenprozesse und eine Kombination verschiedener Methoden adäquat zu identifizieren und zu messen.
Dies schließt expositionsbasierte, portfoliobasierte und szenariobasierte Methoden ein. Es ist entscheidend, dass ESG-Risiken in das reguläre Risikomanagement der Institute eingebunden werden, wobei ihre potenzielle Rolle als Treiber für alle traditionellen finanziellen Risikokategorien berücksichtigt wird.
Die Institute sollten über einen robusten und soliden Ansatz für die kurz-, mittel- und langfristige Steuerung und Minderung von ESG-Risiken verfügen, einschließlich eines Planungshorizonts von mindestens zehn Jahren. Zudem sollten die Institute ESG-Risiken in ihre regulären Prozesse, einschließlich Risikobereitschaft, interne Kontrollen und den internen Kapitaladäquanzbewertungsprozess (ICAAP) integrieren und wirksame interne Berichtsrahmen sowie rück- und vorausschauende ESG-Risikometriken und -indikatoren anwenden, um diese Risiken effektiv zu überwachen.
Prozess der ESG-Integration
Die Leitlinien legen dar, wie ESG-Risiken im Risikomanagementprozess identifiziert, gemessen, gesteuert und überwacht werden sollen. Dies umfasst:
- Die Durchführung von Wesentlichkeitsanalysen, um den Einfluss von ESG-Risikofaktoren auf bestehende Risikoarten zu ermitteln.
- Die Anwendung von Methoden zur Bewertung der kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen von ESG-Risiken auf das Risikoprofil der Institute.
- Die Entwicklung von Strategien und Verfahren zur Bewertung der künftigen Auswirkungen von ESG-Risiken auf verschiedene Risikoklassen.
Rolle der Leitungsorgane
Ein wichtiger Aspekt der Leitlinien ist die Einbindung der Leitungsorgane in die ESG-Risikosteuerung. Dies umfasst die Sicherstellung, dass ausreichend Ressourcen für das Risikomanagement bereitgestellt werden, die Beteiligung an der Bewertung von Vermögenswerten und die Nutzung externer Ratings und interner Modelle.
Referenzmethodik für die Identifizierung und Messung von ESG-Risiken
Bewertung der Wesentlichkeit von ESG-Risiken
Die EBA-Richtlinien fordern von den Instituten die regelmäßige Durchführung einer Wesentlichkeitsbewertung der ESG-Risiken, die in ihre Strategien und internen Verfahren integriert werden sollen. Diese Bewertungen sind entscheidend, um die potenziellen Auswirkungen von ESG-Risiken auf alle konventionellen finanziellen Risikokategorien zu verstehen, denen die Institute ausgesetzt sind, darunter Kredit-, Markt-, Liquiditäts-, Betriebs-, Reputations-, Geschäftsmodell- und Konzentrationsrisiken. Die Wesentlichkeitsbewertung sollte mindestens jährlich durchgeführt werden, oder alle zwei Jahre bei kleinen und nicht komplexen Instituten, und häufiger, falls sich wesentliche Änderungen im Geschäftsumfeld ergeben.
Diese Bewertungen bieten den Instituten einen umfassenden Überblick über die finanzielle Bedeutung von ESG-Risiken für ihr Geschäftsmodell und Risikoprofil und sollten mit anderen relevanten Bewertungen, wie denen im Rahmen des Internen Kapitaladäquanzverfahrens (ICAAP), abgestimmt und integriert werden.
Identifizierung und Messung von ESG-Risiken
Als Teil der Mindeststandards zur Identifizierung und Messung von ESG-Risiken, sollten die Institute interne Verfahren zur Erfassung und Bewertung dieser Risiken implementieren. Diese Verfahren umfassen die Bewertung der Wesentlichkeit von ESG-Risiken über verschiedene Zeithorizonte – kurzfristig (weniger als 3 Jahre), mittelfristig (3 bis 5 Jahre) und langfristig (mindestens 10 Jahre).
Die Bewertung soll umfassend sein und quantitative sowie qualitative Elemente beinhalten, wie die Auswirkungen von ESG-Risiken auf wichtige Geschäftstätigkeiten, Dienstleistungen und Produkte. Für Umweltrisiken sollten die Faktoren, die Übergangs- und physische Risiken beeinflussen, einschließlich einer Überprüfung der wichtigsten Wirtschaftszweige und geografischen Gebiete, gründlich bewertet werden.
Der risikobasierte Ansatz, der sowohl die Wahrscheinlichkeit als auch die Schwere des Risikos berücksichtigt, sollte bei der Bewertung der Wesentlichkeit angewandt werden.
Mindeststandards und Referenzmethodik für das Management und die Überwachung von ESG-Risiken
a) Engagement mit Gegenparteien, um deren ESG-Risikoprofil zu verbessern, insbesondere durch:
- Überprüfung der wichtigsten und kritischsten Gegenparteien oder, im Falle bedeutender KMU- oder Immobilienportfolios, des Durchschnitts der Aktivitäten und der Positionierung der Gegenparteien in Bezug auf ESG-Faktoren und Trends;
- Anforderung und Bewertung der Solidität der Übergangspläne von Gegenparteien;
- Bewertung der Verfahren großer Gegenparteien zur Vermeidung und/oder Abschwächung des Greenwashing-Risikos;
- Ermutigung der Gegenparteien, ESG-Risiken zu mindern und offenzulegen;
b) Anpassung der finanziellen Bedingungen (z. B. einschließlich vertraglich vereinbarter Sicherheitsvorkehrungen und Korrekturmaßnahmen), der Konditionen (z. B. Laufzeit) und/oder der Preisgestaltung auf der Grundlage der Berücksichtigung von ESG-Risiken sowie der Risikostrategie und der internen Kapitalpolitik des Instituts;
c) Einbettung von ESG-Risiken in globale, regionale und sektorale Risikolimits, Exposure-Limits und Deleveraging-Strategien;
d) Diversifizierung der Kredit- und Anlageportfolios auf der Grundlage von ESG-relevanten Kriterien z. B. nach Wirtschaftszweigen oder geografischen Gebieten,
e) andere Risikomanagementinstrumente, die im Einklang mit der Risikobereitschaft der Institution als angemessen erachtet werden, wie etwa eine mögliche Umschichtung von Finanzierungen zwischen und innerhalb von Sektoren zugunsten von Engagements mit einem besseren ESG-Risikoprofil.
Integration von ESG-Risiken in interne Kapital (ICAAP)- und Liquiditätsbewertungsverfahren (ILAAP)
Internes Verfahren zur Bewertung der Angemessenheit des Eigenkapitals und der Liquidität
Im Rahmen der Bewertung der kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen von ESG-Risiken auf ihre Solvabilität oder Liquidität sind Institute angehalten, wesentliche Auswirkungen von ESG-Risiken in ihren internen Kapitaladäquanzbewertungsprozess (ICAAP) und ihren internen Prozess zur Bewertung der Angemessenheit der Liquidität (ILAAP) zu integrieren. Diese Integration soll aus wirtschaftlicher sowie aus regulatorischer Perspektive erfolgen, um kontinuierlich die Höhe, Art und Verteilung des internen Kapitals und der Liquidität, die zur Deckung der ESG-Risiken als angemessen erachtet werden, zu bewerten und aufrechtzuerhalten.
In ihren ICAAP- und ILAAP-Rahmen sollten die Institute eine detaillierte Beschreibung der Risikopolitik, der Schwellenwerte und Grenzen für wesentliche Auswirkungen von ESG-Risiken auf ihre Solvabilität oder Liquidität einführen. Zudem sollten Verfahren zur regelmäßigen Aktualisierung dieser Schwellenwerte und Grenzen festgelegt werden. Dies gewährleistet, dass die Institute proaktiv auf Veränderungen in ihrem Risikoumfeld reagieren können, die durch ESG-Faktoren ausgelöst werden.
Die Institute sollten weiterhin auf ihren Risikobewertungsmethoden aufbauen, einschließlich jener, die in Abschnitt 4.2 beschrieben sind, um den internen Kapitalbedarf für einzelne Engagements oder Portfolios zu ermitteln, die als besonders anfällig für ESG-Risiken eingestuft werden. Speziell für Umweltrisiken ist vorgesehen, dass die Institute in ihrem ICAAP eine vorausschauende Betrachtung ihrer Kapitaladäquanz unter einem ungünstigen Szenario durchführen, das spezifische Elemente von Umweltrisiken enthält. Zudem sollten im Einklang mit den EBA-Leitlinien für Stresstests alle Änderungen am Geschäftsplan des Instituts oder andere notwendige Maßnahmen, die sich aus den Stresstests für Klima-/Umweltrisiken und/oder den umgekehrten Stresstests ergeben, dokumentiert werden.
Es ist wichtig, dass die Institute ausreichende Kontextinformationen bereitstellen, um ihre Analyse der Kapital- und Liquiditätsauswirkungen von Umweltrisiken nachvollziehbar zu machen. Dazu gehört auch, Klarheit über die verwendeten Methoden und die zugrunde liegenden Annahmen zu schaffen. Bei der Integration von ESG-Risiken in ihren ICAAP und ILAAP sollten die Institute die Komplexität der Prozesse und den Grad der Ausgereiftheit der verwendeten Methoden berücksichtigen, die auf die Größe und Komplexität der Institute, ihre Wesentlichkeitsbewertung sowie die unterschiedliche Verfügbarkeit und Reife von Quantifizierungsmethoden für Umweltrisiken im Vergleich zu Sozial- und Governance-Risiken abgestimmt sind.
Abschluss und Ausblick
Die endgültige Fassung der Leitlinien soll bis Ende 2024 finalisiert werden. Die EBA folgt damit ihrem Auftrag aus der CRD-Richtlinie, die Sicherheit und Solidität der Finanzinstitute zu stärken, indem sie angemessene Rahmenbedingungen für das Management von ESG-Risiken schafft. Diese Initiative ist ein entscheidender Schritt zur Integration nachhaltiger Praktiken in das Finanzsystem der EU und spiegelt die zunehmende Bedeutung von ESG-Faktoren in der globalen Wirtschaft wider.